Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung an Hochschulen

Die Digitalisierung verändert die Art und Weise, wie wir leben, lernen und lehren. Im Hochschulbereich hat die Digitalisierung – nicht erst seit den jüngsten Diskussionen um ChatGPT – längst Einzug gehalten und bietet zahlreiche Chancen… aber auch einige Herausforderungen.

In diesem Beitrag möchte ich einen Blick darauf werfen, welche Möglichkeiten die Digitalisierung für Hochschulen bietet und welche Herausforderungen dabei zu meistern sind. Wir diskutieren die Vorteile digitaler Lehr- und Lernformate und geben Tipps zur erfolgreichen Umsetzung.

Zudem beleuchten wir die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Rolle von Lehrenden und Lernenden, sowie auf die Organisation von Hochschulen. Dabei gehen wir auch der Frage nach, wir durch die Nutzung digitaler Tools in der Hochschulverwaltung administrative Prozesse schneller und effektiver gestaltet werden können und so die Studierendenzufriedenheit gesteigert wird.

Eine kurze Geschichte der Digitalen Bildung: Von Telekollegs und MOOCs

Bereits in den 1980er Jahren begannen Hochschulen damit, erste Computer-Systeme zur Unterstützung der Lehre und Forschung zu nutzen. Einige Beispiele waren zum Beispiel:

  • Simulationsprogramme: Mit Hilfe von Simulationsprogrammen konnten komplexe mathematische Modelle berechnet werden, um wissenschaftliche Fragestellungen zu bearbeiten.

  • Statistik-Software: Statistik-Software wie SPSS oder SAS wurde eingesetzt, um empirische Forschungsergebnisse auszuwerten und statistische Analysen durchzuführen.

  • Textverarbeitung: Textverarbeitungsprogramme wie Word Perfect oder Microsoft Word ermöglichten eine einfache und schnelle Erstellung von wissenschaftlichen Texten und Publikationen.

  • Lernsoftware: Es wurden erste Lernsoftware-Programme entwickelt, die das Lernen und die Wissensvermittlung unterstützen sollten. Ein Beispiel hierfür ist das Programm "LOGO", das zur Vermittlung von Programmierkenntnissen eingesetzt wurde.

Mit der Verbreitung des Internets in den 90er und 2000er Jahren gewannen dann digitale Medien und neue Kommunikationsformen an Bedeutung:

  • E-Mail: Die E-Mail-Kommunikation wurde an Hochschulen immer wichtiger. Sie ermöglichte eine schnelle und unkomplizierte Kommunikation zwischen Lehrenden und Studierenden sowie innerhalb der Hochschule. Vorreiter waren dabei (wieder einmal) die Hochschulen in den USA, Deutschland folgte zögerlich.

  • Online-Lernplattformen: Ebenfalls in den 90ern entstanden die ersten Online-Lernplattformen wie beispielsweise WebCT oder Blackboard. Diese ermöglichten es Lehrenden, Lernmaterialien und Aufgaben online zur Verfügung zu stellen und Studierende konnten über die Plattformen miteinander interagieren und diskutieren.

  • Virtuelle Konferenzen: Mit der Verbreitung des Internets wurden – zumindest international – virtuelle Konferenzen immer beliebter. Sie ermöglichten es Forschern und Wissenschaftlern, aus der Ferne an Konferenzen und Veranstaltungen teilzunehmen.

  • Multimediale Lehr- und Lernformate: Auch die ersten multimedialen Lehr- und Lernformate entwickelt wurden in diesem Zeitraum entwickelt. Es entstanden beispielsweise CD-ROMs mit Lerninhalten oder interaktive Online-Kurse mit Video- und Audio-Inhalten, meist noch – gerade wegen der geringen Datenbreiten – rudimentär aufbereitet.

Im neuen Jahrtausend sahen wir dann eine wahre Explosion neuer digitaler Lehr- und Lernformate. Einige Beispiele gefällig?

  • Web 2.0-Technologien: Anfang des Jahrtausends entstanden zahlreiche neue Web 2.0-Technologien wie Wikis, Blogs oder Podcasts. Diese ermöglichten es Studierenden und Lehrenden, sich selbstständig Wissen anzueignen und zu teilen sowie kollaborativ an Projekten zu arbeiten.

  • Social Media: Mit der Verbreitung von Social Media entstanden auch neue Möglichkeiten der digitalen Zusammenarbeit und Vernetzung. Plattformen wie Facebook, YouTube oder Twitter wurden immer wichtiger und ermöglichten es Studierenden - und auch Lehrenden - sich zu vernetzen und auszutauschen.

  • MOOCs (Massive Open Online Courses): Seit den 2010ern erlebten MOOCs einen ersten Höhenflug, Plattformen, die es Studierenden weltweit ermöglichten, kostenlose Online-Kurse von renommierten Hochschulen zu belegen. 2011 wurde Udacity gegründet, 2012 folgten dann edX, Coursera und FutureLearn. MOOCs wurden schnell populär und haben die Hochschullandschaft nachhaltig verändert, indem sie eine größere Anzahl von Studierenden erreichten und den Zugang zu Bildung für Menschen aus aller Welt erweiterten.

  • Blended Learning: In Deutschland gewannen Blended Learning Angebote, also die Kombination aus Präsenz- und Online-Lehre, nur langsam an Bedeutung. Zunehmend wurden diese Formate von Hochschulen aber als Ergänzung zur Präsenzlehre eingesetzt. Dabei wurden auch immer mehr Hybrid-Lehrformate entwickelt, die Präsenzlehre mit E-Learning-Elementen kombinierten… und spätestens mit Corona kam der Durchbruch der Online-Lehre.

Digitalisierung hat also schon seit langem Einzug in die Hochschulbildung gehalten und wird inzwischen als einer der wichtigsten Faktor für die Zukunftsfähigkeit von Hochschulen angesehen. Dabei haben sich nicht nur die technologischen Möglichkeiten, sondern auch die Erwartungen der Studierenden und die Anforderungen an die Lehre und Organisation von Hochschulen verändert.

YouTube, Netflix, Amazon… oder Hochschule?

Moderne Medienangebote wie Netflix, YouTube und Soziale Netzwerke spielen dabei eine zentrale Rolle. Studierende sind heute an interaktive, multimediale und personalisierte Angebote gewöhnt, die sie jederzeit und überall nutzen können. Auch Erfahrungen mit populären Apps haben die Erwartungen der Studierenden massiv verändert. Noch nie war es so leicht, Zugriff auf Informationen und Services zu erhalten und auf Augenhöhe zu kommunizieren. Das hat auch Implikationen für Bildungsangebote.

So erwarten Studierende heute eine flexible und individualisierte Lehr- und Lernumgebung und eine moderne, digitale administrative Infrastruktur.

Wöchentliche Sprechstunden in Präsenz? Lange Reaktionszeiten auf E-Mails? Papierbasierte Prozesse? Das passt nicht mehr in die heutige Erfahrungswelt, ebenso wenig wie das Fehlen digitaler Lehr- und Lernformate.

Hochschulen, die die Erwartungen der jungen Generationen erfüllen und digitale Lösungen  erfolgreich einsetzen, werden wiederum in der Lage sein, ihre Position im deutschen Hochschulmarkt zu stärken.

Aber wie genau kann das funktionieren? Von welche Chancen und Herausforderungen reden wir und wie können Hochschulen und Universitäten diese nutzen?

Chancen der Digitalisierung an Hochschulen und Universitäten

Die Chancen im Bereich der Digitalisierung lassen sich in folgenden Kategorien zusammenfassen:

  • Flexibilität und Mobilität: Studierende können ortsunabhängig lernen, Lehrinhalte zeitlich flexibel abrufen aber auch administrative Prozesse komplett digital nutzen.

  • Individuelles Lernen und Personalisierung: Digitale Lehr- und Lernformate können auf die individuellen Bedürfnisse von Studierenden zugeschnitten werden. Die Resultate sind bessere Lernergebnisse und niedrigere Drop-Out Quoten.

  • Erweiterung der Lehr- und Lernformate: E-Learning, Blended Learning und andere digitale Formate ergänzen die klassische Präsenzlehre und ermöglichen neue Methoden der Wissensvermittlung. Das motiviert Studierende und erweitert den Methodenkoffer der Lehrenden

  • Verbesserte Customer Experience: Digitale Lösungen können dazu beitragen, die Customer Experience der Studierenden zu verbessern. Beispielsweise können Chatbots eingesetzt werden, um automatisierte Antworten auf häufig gestellte Fragen von Studierenden zu geben.

  • Digitale Administration: Durch den Einsatz von digitalen Werkzeugen und Technologien können administrative Prozesse an Hochschulen effizienter gestaltet werden. Zum Beispiel können Bewerbungs- und Zulassungsprozesse digitalisiert werden, was zu einer schnelleren Bearbeitung und geringeren Verwaltungskosten führt.

Noch gar nicht eingegangen wird in dieser Liste dabei auf die Forschung: hier bieten sich so viele andere Möglichkeiten, digitale Tools und Methoden einzusetzen, dass ich diese in einem separaten Beitrag behandeln werden.

Herausforderungen in der Digitalisierung von Hochschulen

Den Chancen der Digitalisierung stehen indes auch einige Herausforderungen gegenüber. Einige dabei umfassen „harte“ IT-Themen, andere behandeln vor allem organisatorische und kulturelle Fragestellungen. Hier nur eine kleine Auswahl der – aus meiner Sicht – wichtigsten Aspekte:

  • Fehlende Strategie: Oft fehlt Hochschulen ein klares Verständnis darüber, was Digitalisierung überhaupt ist und was man mit ihr erreichen möchte. Ohne klare Zielsetzungen, KPIs und realistische Erwartungen sind Digitalisierungsprojekte aber meist zum Scheitern verurteilt.

  • Heterogene IT-Infrastruktur: Die IT-Infrastruktur an Hochschulen ist oft heterogen und kann die Integration von digitalen Technologien erschweren. Unterschiedliche Softwarelösungen und Systeme müssen möglicherweise miteinander verknüpft werden, um reibungslose Prozesse zu gewährleisten.

  • Kosten und Finanzierung: Die Einführung von digitalen Technologien und Methoden kann mit hohen Kosten verbunden sein. Es müssen geeignete Finanzierungsmöglichkeiten gefunden werden, um die Einführung und den Betrieb der Systeme zu gewährleisten.

  • Mangelnde Digitalkompetenz: Die Nutzung digitaler Technologien erfordert entsprechende Digitalkompetenz von Studierenden und Lehrenden. In vielen Fällen müssen diese digitalen Kompetenzen erst vermittelt und Defizite im Vorfeld identifiziert werden.

  • Mangelnde Akzeptanz und Widerstand: Die Einführung digitaler Technologien und Methoden kann auf Widerstand stoßen, wenn Studierende oder Lehrende sich unzureichend informiert oder nicht ausreichend geschult fühlen.

  • Datenschutz und Datensicherheit: Die Digitalisierung von Lehre und Verwaltung stellt hohe Herausforderungen im Bereich Datenschutz und Datensicherheit. Insbesondere müssen sensible Daten von Studierenden und Lehrenden geschützt werden und es müssen geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um die Datensicherheit zu gewährleisten. Dass dies immer wieder zum Stolperstein werden kann, zeigen die Erfahrungen aus den Digitalsemestern während der Corona-Pandemie.

  • Barrierefreiheit: Digitale Lehr- und Lernformate müssen barrierefrei sein um auch Studierende mit Beeinträchtigungen oder Behinderungen ein inklusives Lernumfeld bieten.

Best Practices und Tipps zur erfolgreichen Umsetzung der Digitalisierung in der Hochschulbildung

Wie also geht man vor, wenn man Digitalisierungsprojekte im Bildungsbereich erfolgreich umsetzen möchte?

Zum einen ist es empfehlenswert, die Digitalisierung als ganzheitlichen Prozess zu betrachten und nicht nur als Einführung neuer Technologien. Digitalisierung im Hochschulbereich umfasst auch und gerade die Veränderung von Prozessen und Strukturen. Eine erfolgreiche Umsetzung erfordert daher eine strategische Planung und klare Zielsetzung. Dabei müssen auch die Bedürfnisse der verschiedenen Zielgruppen wie Studierende, Lehrende und Verwaltung berücksichtigt werden.

Ein wichtiger Schritt ist es hierfür, eine Kultur des Wandels und der Innovation zu schaffen. Sie ermöglicht es, Veränderungen positiv zu gestalten. Dabei kann es hilfreich sein, eine klare Kommunikation zu etablieren, um alle beteiligten Akteure von Anfang an mitzunehmen und in den Prozess einzubeziehen.

Schulungs- und Weiterbildungsangebote zur Vermittlung von Digitalkompetenz und die Schaffung von Anreizen können ebenfalls dazu beitragen, dass die Einführung von digitalen Technologien von den Beteiligten angenommen und erfolgreich umgesetzt wird. Wer Tools selbst einsetzt, erkennt ihren Wert schneller, als wenn dieser theoretisch erläutert wird.

Zusätzlich sollten auch Aspekte wie Datenschutz, Datensicherheit und Barrierefreiheit in den Planungsprozess einbezogen werden.

Schritt für Schritt zum Erfolg

Dabei lassen sich folgende Schritte nennen, die sich bei der Digitalisierung von Universitäten als hilfreich erwiesen haben:

  1. Analyse der Ausgangssituation: Eine umfassende Analyse der aktuellen Situation und Bedürfnisse ist notwendig, um zu verstehen, welche Technologien und Prozesse eingeführt werden müssen, um die Ziele zu erreichen.

  2. Erstellung einer Digitalisierungsstrategie: Auf Basis der Analyse sollte eine Digitalisierungsstrategie erstellt werden, die klare Ziele und Maßnahmen beinhaltet. Es sollten auch die notwendigen Ressourcen und das Budget für die Umsetzung berücksichtigt werden.

  3. Einbeziehung der Beteiligten: Es ist wichtig, alle Beteiligten von Anfang an einzubeziehen, um ihre Bedürfnisse und Anforderungen zu berücksichtigen und ihre Unterstützung für die Umsetzung der Digitalisierungsstrategie zu gewinnen.

  4. Schulung und Weiterbildung: Schulungs- und Weiterbildungsangebote sollten bereitgestellt werden, um sicherzustellen, dass alle Beteiligten über die notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen, um digitale Technologien erfolgreich zu nutzen.

  5. Umsetzung der Digitalisierungsmaßnahmen: Die Umsetzung der Digitalisierungsmaßnahmen sollte schrittweise erfolgen und klare Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten sollten festgelegt werden.

  6. Qualitätssicherung: Die Qualität der digitalen Lehr- und Lernformate und der administrativen Prozesse muss sichergestellt werden, um eine hohe Qualität der Lehre und Forschung zu gewährleisten.

  7. Kontinuierliche Optimierung: Die Digitalisierung von Hochschulen ist ein kontinuierlicher Prozess, der regelmäßig überprüft und optimiert werden sollte. Feedback von den Beteiligten sollte gesammelt werden, um Verbesserungspotential zu identifizieren.

  8. Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit: Es ist wichtig, die Fortschritte und Erfolge der Digitalisierung von Hochschulen zu kommunizieren und Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, um die Akzeptanz und Unterstützung für die Digitalisierung zu fördern.

Durch eine klare Strategie, angemessene Ressourcen und geeignete Rahmenbedingungen kann also die Digitalisierung von Hochschulen erfolgreich umgesetzt werden… mit klaren Vorteilen für Studierende, Lehrende und die Verwaltung.

Vorteile für Studierende

Studierende profitieren von der Flexibilität und Mobilität, die digitale Lehr- und Lernformate bieten. Sie können ortsunabhängig lernen und Lehrinhalte zeitlich flexibel abrufen. Zudem können digitale Lehr- und Lernformate auf die individuellen Bedürfnisse der Studierenden zugeschnitten werden, was ein individuelles Lernen und eine Personalisierung ermöglichen. Interaktive Lerninhalte und multimediale Unterstützung erleichtern den Lernprozess und können die Motivation der Studierenden steigern.

Vorteile für Lehrende

Lehrende profitieren von der Erweiterung der Lehr- und Lernformate, die digitale Technologien bieten. E-Learning, Blended Learning und andere digitale Formate ergänzen die klassische Präsenzlehre und ermöglichen neue Methoden der Wissensvermittlung. Digitale Tools erleichtern auch die Organisation von Lehrveranstaltungen und bieten neue Möglichkeiten zur Zusammenarbeit und Kommunikation. Durch die Integration digitaler Technologien in die Lehre können Lehrende ihre Lehrkompetenzen erweitern und effektiver lehren.

Vorteile für die Verwaltung

Die Verwaltung profitiert von der Digitalisierung durch eine effizientere Organisation und Verwaltung von Prozessen. Digitale Tools erleichtern die Organisation von Lehrveranstaltungen, die Verwaltung von Studierendendaten und die Abwicklung von Prüfungen. Durch die Integration digitaler Technologien in die Verwaltung können Prozesse optimiert und Ressourcen eingespart werden.

Fazit

Die Digitalisierung bietet Hochschulen zahllose Chancen, sich zu entwickeln. Gleichzeitig erfordert sie umfangreiche Anpassungen in der Verwaltung, der Lehre und im Mindset der Institutionen.

Hochschulen, die diese Herausforderungen meistern und die Digitalisierung erfolgreich umsetzen, werden in der Lage sein, ihre Position im deutschen Hochschulmarkt zu stärken und Studierenden eine zeitgemäße und qualitativ hochwertige Bildung zu bieten.

Alle anderen werden sich fragen müssen, wie sie ihre Studierenden in Zukunft gewinnen und halten möchten.

Philipp Hoellermann

Sustainable. Digital. Education. Working Dad. Vegetarian. Managing Director of handsons.io. Democrat. Open for business.

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Der Wettbewerb um Studierende: Erfolgreiche Strategien für Hochschulen

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Studierendenzufriedenheit: Warum es so wichtig ist, sie zu messen.