Bewerbung zu gut, Studienplatz weg?
Klingt unglaublich aber wurde gerade sogar gerichtlich bestätigt. Was war da also los?
Die Technische Universität München (TUM) lehnte im August 2023 einen Bewerber für einen Masterstudiengang ab, weil sie vermutete, sein englischsprachiges Essay sei "mit hoher Wahrscheinlichkeit zu 45 % von künstlicher Intelligenz verfasst worden". Dafür spreche die hohe Qualität des Beitrags, der "durch seine Perfektion, seinen Satzbau und die Textgestaltung von dem (abweiche), was nach der Lebenserfahrung von einem Bachelorabsolventen zu erwarten sei."
Der Student zog daraufhin vor Gericht und argumentierte - aus meiner Sicht durchaus schlüssig - dass die Universität dies zwar vermuten dürfe, faktisch aber weder Beweise vorlegen könne, noch die genutzte KI-Erkennungssoftware zuverlässig sei (was ich an anderer Stelle auch schon mehrfach gezeigt habe) oder eine KI die erforderlichen Zitate und Quellen generiere. Zudem hatte der Bewerber sein Bachelor-Studium mit "sehr gut" (1,45) abgeschlossen und fünf Monate an einer Universität in den USA verbracht.
Ausgeschlossen werden konnte also nicht, dass der Student die englischsprachige Bewerbung selbst erstellt hatte.
Das Verwaltungsgericht München folgte dem jedoch nicht. Es argumentierte unter anderem, dass Bachelor-Absolventen regelmäßig zu verschachtelter und überlanger Ausdrucksform neigten und nicht zum Punkt kämen. Das sei beim Essay des abgelehnten Bewerbers aber anders. Zudem sei die Bewerbung in "hervorragendem Englisch und ohne jegliche Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehler verfasst", was höchst selten vorkomme. Alles in allem lasse dies die Nutzung von KI-Systemen vermuten, die eben eine viel höhere inhaltliche und strukturelle Qualität liefern würden als Bachelor-Absolventen.
Was bei mir die Frage aufwirft: brauchen wir nach dieser Argumentation überhaupt noch Bachelor-Studiengänge (wenn der Output doch so kläglich sei)? Sollten Bewerber in Zukunft extra Fehler einbauen, um authentisch zu wirken? Und wie steht die TUM generell zur Nutzung von KI-Tools, die - natürlich - die Qualität von Texten deutlich steigern können, sei es durch ChatGPT oder DeepL Write.
Der Beschluss des Münchner Gerichts stellt die bisherige Rechtspraxis - in dubio pro reo - in jedem Fall auf den Kopf und dürfte in einigen Rechtsabteilungen an Hochschulen für Erstaunen sorgen.
Einen Beitrag zur Gerichtsentscheidung findet Sie hier.